Die Garnisonkirche und ihr Carillon

Friedrich Wilhelm I. war ein tief gläubiger Monarch. Der Aufbau einer beachtlichen Armee brachte ihm den Beinamen Soldatenkönig ein. Daneben galt sein vordringliches Interesse dem Wiederaufbau und der Wiederbevölkerung seines brandenburgischen Herrschaftsgebietes, das noch immer an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges litt. 

Georg Paul Busch und Christian Friedrich Feldmann: Dreikirchenblick auf Potsdam vom Brauhausberg, 1733, Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte │ Foto: Potsdam Museum

Seine erste Bildungsreise als Kurprinz hatte Friedrich Wilhelm I. in die Niederlande geführt, deren tolerante bürgerlich-protestantische Kultur ihn nachhaltig beeindruckte. Bei der Krönung seines Vaters zum ersten König in Preußen ihm Jahr 1701 erhielt er als Kronprinz zusätzlich den Titel Prinz von Oranien. Dieser ging auf seine niederländische Großmutter Luise Henriette von Oranien-Nassau zurück. 

Als eine seiner wichtigen königlichen Pflichten betrachtete er die Seelsorge seiner Untertanen. Während seiner Regierungszeit entstanden in Potsdam insgesamt neun Kirchen. Nur drei davon erhielten einen himmelweisenden Glockenturm. Die drei Türme gelten in der christlichen Zahlensymbolik als Sinnbild für die Dreifaltigkeit: Wie auf einer Perlenschnur in Ost-West-Richtung aufgereiht, entstanden die Heilig-Geist-Kirche, die alte Nikolaikirche sowie die Hof- und Garnisonkirche. 

Die Garnisonkirche ist das sakrale Hauptwerk des preußischen Architekten Johann Philipp Gerlach. Sie entstand zwischen 1730 und 1735 und galt eine der bedeutendsten Kirchen des norddeutschen Barock. In ihrer Doppelfunktion für den Hof und das Militär nahm sie eine besondere Rolle ein. Darüber hinaus stand sie auch Bürgern reformierten Glaubens offen. 

Garnisonkirche vor der Zerstörung 1968 │ Foto: Albert Noelte

Nach dem Vorbild niederländischer Kirchenbauten sollte die Garnisonkirche einen hoch aufragenden Glockenturm erhalten. Das hügellose Landschaftsbild der Niederlande entsprach dem flachen Brandenburg und bildete die willkommene Voraussetzung für diese Parallele. Friedrich Wilhelm I. sah in einem hohen und imposanten Turm ein besonders gottgefälliges Zeichen seines Glaubens. So erhielten auf sein Betreiben hin alle drei Kirchen jeweils einen knapp 90 Meter hohen Turm. Die drei Kirchtürme markierten die aufstrebende Residenzstadt weithin sichtbar. 

Die alte Nikolaikirche brannte Ende des 18. Jahrhunderts ab und im 19. Jahrhundert als Kuppelbau neu errichtet. Die Heilig-Geist-Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig, die Garnisonkirche zu großen Teilen zerstört. Die Gemeinde richtete in der Ruine des Turms eine Kapelle ein, bis das gesamte Gebäude 1968 auf Beschluss der SED-Führung gesprengt wurde. Die Rekonstruktion des Turms der Garnisonkirche erinnert an den städtebaulich prägenden Drei-Kirchen-Blick Potsdams. 

Im Turm war ein holländisches Glockenspiel untergebracht, auch Carillon genannt. Ursprünglich für das Fortunaportal des Stadtschlosses vorgesehen, umfasste es zunächst 35 Glocken. Das vom Amsterdamer Gießer Jan Albert de Grave gefertigte Carillon befand sich seit 1722 erst auf den Vorgängerbau der Garnisonkirche. Unmittelbares Vorbild war das Glockenspiel auf dem Münzturm in Amsterdam. 

Die Spielwerkskammer, zu der 365 Stufen emporführten, befand sich im oberen Turmgeschoss, direkt unterhalb der Glocken. Je nach Stärke des Anschlages konnte eine Melodie besonders hervorgehoben werden, während die Begleitung leiser blieb. Für das automatische Spiel gab es eine mannshohe Walze. Der aus Amsterdam stammende Carillonneur Arnoldus Carsseboom hatte hierfür die ältesten Glockenspielmelodien gesetzt, die zumeist holländische Titel trugen. Das Potsdamer Carillon war auch per Hand zu bedienen und ermöglichte damit auch das Spiel komplexerer Kompositionen. Es gab im Wechsel geistliche Choräle und weltliche Lieder. Sie erklangen zu jeder vollen Stunde und waren weithin hörbar. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Carillon zerstört. Nach dem Wiederaufbau des Kirchturms ist der Einbau eines neuen Glockenspiels geplant. 

– Dr. Stephanie Hochberg, Stiftung Garnisonkirche Potsdam & Andreas Kitschke, Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche e.V.

Dieser Beitrag stammt aus dem Stadtrundgang „Holland in Potsdam“, der anlässlich der Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ (8.7.– 22.10.2023) konzipiert wurde und zu 20 verschiedenen Orten in Potsdam mit niederländischem Bezug führt. Der Stadtrundgang steht wie seine Vorgänger-Projekte „Italien in Potsdam“ und „Frankreich in Potsdam“ als kostenfreie Audiotour auf der Barberini App dauerhaft zur Verfügung und wird im Laufe des Jahres 2023 zudem als „Kleiner Kunstführer“ in der Reihe der Publikationen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten veröffentlicht.

Titelbild: Blick auf die Garnisonkirche im Bau │ Foto: Gerhard Alwin