Eine faszinierende Facette des Impressionismus 

Landschaftsmalerei ist eine Erfindung aus Holland. Spätestens als die französischen Impressionisten in der Malerei unter freiem Himmel den Moment der Moderne feierten, forderte dies unweigerlich die Reaktion der holländischen Künstler heraus. Die Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ nimmt die Entwicklung der niederländischen Kunst zwischen den 1840er und den 1910er Jahren in ihrer Zwiesprache mit dem Impressionismus in den Blick.

Die Publikation zur Ausstellung versammelt zahlreiche Werke von etwa 40 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Johan Barthold Jongkind, Vincent van Gogh, Jacoba van Heemskerck und Piet Mondrian und ist mit einer umfassenden Betrachtung der Holländischen Malerei des 19. Jahrhunderts eine schöne Ergänzung zur Vor- oder Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs.

Seit dem 17. Jahrhundert gehörten Wolken, Wellen und Strand zum Charakteristischen der niederländischen Kunst. Auch die französischen Impressionisten verehrten die holländische Landschaftsmalerei der Alten Meister. Dabei ging es ihnen weniger um die Identifikation mit einer nationalen Landschaft als um den Realismus dieser Malerei. Monets Aufenthalt im niederländischen Zaandam im Jahr 1871 war subversiv, um sich dem preußisch-französischen Krieg zu entziehen, floh er zunächst nach London. Auf der Rückreise blieb er in Holland, solange Paris von deutschen Truppen besetzt war. Hier hatte schon sein Vorbild Gustave Courbet in den 1830er Jahren Abstand vom französischen Kunstbetrieb gesucht, um seiner Malerei im Studium von Wolken und Wellen den für ihn charakteristischen, realistisch-direkten Zugriff zu verleihen. Holländische Künstler sahen die Werke der Künstler von Barbizon u. a. bei ihren Reisen nach Frankreich. Wie die französischen Impressionisten im Wald von Fontainebleau, so malten die holländischen Künstler ab etwa 1850 bereits das durch die Bäume hereinbrechende Licht im Wald von Oosterbeek. Die Haager Schule widmete sich der Polderlandschaft unter hohem Himmel und schloss darin an die Wolkenmalerei der Alten Meister an. Charakteristisch für die Malerei von Willem Roelofs, Anton Mauve und Jacob Maris sind lichthaltige Grautöne, die regenschwere Wolken über der Wiesenlandschaft zu Akteuren ihrer Bilder machen. Der Strand ist Schauplatz der Fischer, die ausfahren oder ihren Fang anlanden, wobei im Unterschied zur Marinemalerei oder Ausblicken auf das Meer in der Zeit der Romantik bereits die subjektive Beobachtung ausschlaggebend ist.

Auf die Maler der Haager Schule folgten in den 1880er Jahren die Amsterdamer Impressionisten. Sie entdeckten die Stadt als Ort des modernen Lebens mit Einkaufsstraßen, Caféhäusern und elektrischem Licht. Der Strand wird nun Schauplatz für müßige Freizeitaktivitäten wie Spazierengehen oder Eselreiten. Künstler wie George Hendrik Breitner und Isaac Israels, die die Werke von Monet, Renoir oder Caillebotte aus den Pariser Ausstellungen kannten, suchten Motive des technischen Fortschritts und gesellschaftlichen Wandels in der eigenen Umgebung. Die nächste Generation niederländischer Künstler ließ sich ab 1890 vom französischen und belgischen Pointillismus inspirieren. Für die nach 1905 entstandenen Landschaften, die Anregungen des französischen Fauvismus aufnahmen, fand sich bald der Begriff Luminismus. Unvermischte Farben und ihre expressive Steigerung in Simultankontrasten verbinden den späten Vincent van Gogh mit dem pointillistischen Frühwerk Piet Mondrians und zeigen, wie der Impressionismus der Avantgarde auch in Holland Vorschub leistete.

Die holländische Kunst des 19. Jahrhunderts wird in Deutschland kaum gezeigt und ist mit Ausnahme der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, die in den 1880er Jahren systematisch Werke der Haager Schule ankaufte, in deutschen Museumssammlungen kaum vertreten. Abgesehen von Künstlern wie Van Gogh und Mondrian, die mit zahlreichen monographischen Ausstellungen präsent waren, sind Malerinnen und Maler wie Jacoba van Heemskerk, Jan Toorop, Jan Sluijters und viele andere, die in den Niederlanden mit großen Retrospektiven gewürdigt wurden, in Deutschland nahezu unbekannt. Durch ihre Nähe zu den Landschaften Max Liebermanns und der Van Gogh-Rezeption der Brücke-Künstler erscheinen sie dennoch vertraut.

Der Katalog ist auf Deutsch und Englisch erschienen; 312 Seiten, 200 Abbildungen

Mit Beiträgen von Renske Cohen Tervaert, Frouke van Dijke, Mayken Jonkmann, Jeroen Kapelle und Renske Suijver, aus u. a. dem Kunstmuseum Den Haag, dem Van Gogh Museum, Amsterdam & The Mesdag Collection, Den Haag, dem Kröller-Müller Museum, Otterlo, und dem RKD – Netherlands Institute for Art History, Den Haag.

Der Text ist ein Exzerpt aus dem Katalog.
Titelbild: David von Becker