Potsdams Holländische Seidenmanufaktur

An der Ecke „Am Canal“ und „Grün Straße“ befanden sich einst die fünf Fabrikhäuser der Seidenmanufaktur von Heinrich Stiphout. Die Gebäude boten auf drei Etagen genügend Platz für die Unterbringung der Arbeiter, das Lager, 88 Webstühle und ein Ladengeschäft. 

Das Potsdamer Seidengewerbe erfuhr unter Friedrich II. besondere Förderung. Die Einfuhr der Stoffe war so teuer, dass er die Produktion und Verarbeitung von Seide im eigenen Land intensiv vorantrieb. Die Fachkräfte dafür warb er mit der Aussicht auf Privilegien aus dem Ausland an. Die Seidenfabrikanten waren vornehmlich jüdischer oder hugenottischer Herkunft. Eine Ausnahme davon stellte der Holländer Heinrich Stiphout dar. 

Potsdam II. Schloss Bezirck, Stadtschloss, Alter Markt und der alte Stadtkanal │ Abbildung: Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Michael Lüder

Der Seidenwirkmeister kam 1703 in Amsterdam zur Welt. Dort erlernte er sein Handwerk und kam 1750 nach Potsdam. 1754 wurden ihm die fünf voll ausgestattete Fabrikhäuser zur Verfügung gestellt. Trotz großzügiger finanzieller Förderung machte die Firma Verluste und stand wenige Jahre später bereits vor dem Ruin. Die Fabrik und ihr Gründer erhielten jedoch weiterhin starke finanzielle Unterstützung durch Friedrich II. Er schenkte ihm ein Privathaus und überschrieb der Firma weitere 4000 Reichstaler. Da Stiphout über kein eigenes Kapital verfügte, ordnete der König an, dass zwei weitere Gesellschafter in die Firma eintreten sollten. Einer von ihnen war der Baumeister Jan Bouman, der beinahe 10 000 Reichstaler in die Seidenmanufaktur einbringen musste. Für ihn war es ein Verlustgeschäft, denn obwohl Stiphout als Werkmeister das technische Wissen besaß, war für den wirtschaftlichen Erfolg mehr als die Produktion qualitätvoller Waren erforderlich. Und Stiphout war kein guter Unternehmer. Trotzdem hielt der König weiterhin an ihm fest und verbot den Stoffimport aus Holland. Schließlich brachte ein auf Anregung von Bouman entstandener Untersuchungsbericht und der trotz aller finanzieller Unterstützung ausbleibende wirtschaftliche Erfolg auch den König zur Einsicht, dass der Holländer für die Unternehmensführung ungeeignet war. Stiphout musste 1755 seine Teilhaberschaft an der Firma abgeben und als Werkmeister in der vormals eigenen Fabrik arbeiten. 

Die ursprüngliche Bebauung an dieser Stelle wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. 

– Leonie Schmidt, Museum Barberini

Dieser Beitrag stammt aus dem Stadtrundgang „Holland in Potsdam“, der anlässlich der Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ (8.7.– 22.10.2023) konzipiert wurde und zu 20 verschiedenen Orten in Potsdam mit niederländischem Bezug führt. Der Stadtrundgang steht wie seine Vorgänger-Projekte „Italien in Potsdam“ und „Frankreich in Potsdam“ als kostenfreie Audiotour auf der Barberini App dauerhaft zur Verfügung und wird im Laufe des Jahres 2023 zudem als „Kleiner Kunstführer“ in der Reihe der Publikationen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten veröffentlicht.

Titelbild: Zeichnung der Seidenfabrik des Fabrikanten Heinrich Stiphout in Potsdam. Grundrisse 1. und 2. Etage sowie Ansicht, “Zeichnung von denen 5 Häusern von der Grünen Brücke bis an der Kirch Straße längst am Canal wo die Casernen stehen, vor Hollandische Seiden Fabricanten”, 1754, Kohle auf Papier, Brandenburgisches Landeshauptarchiv