Hoge verwachtingen!

Ab dem 8. Juli präsentiert das Museum Barberini die Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ und zeigt anhand von über 100 Gemälden, wie sich Künstlerinnen und Künstler wie Johan Barthold Jongkind, Vincent van Gogh, Jacoba van Heemskerck und Piet Mondrian durch die französischen Einflüsse zu einer ganz eigenen, holländischen Form des Impressionismus inspirieren ließen.

Impulse aus Frankreich

Vincent van Gogh: Blumenbeete in Holland, um 1883, National Gallery of Art, Washington, Sammlung Herr und Frau Paul Mellon

Die Landschaftsmalerei hat in den Niederlanden ihren Ursprung. Der Realismus der Alten Meister des 17. Jahrhunderts blieb lange der Maßstab, an dem es sich zu messen galt. Als französische Künstler in den 1830er Jahren im Wald von Fontainebleau das Malen unter freiem Himmel begannen und die Erfahrung des Moments zum Gegenstand ihrer Bilder machten, schufen sie die Grundlagen für die künstlerische Bewegung des Impressionismus. Nur wenig später, Ende der 1840er Jahre, fingen auch Maler in den Niederlanden an, en plein air, unter freiem Himmel, zu arbeiten, und auch sie suchten für ihre Experimente mit Licht und Schatten zuerst einen urwüchsigen Wald auf. In Oosterbeek in der Nähe von Arnhem entstand eine Künstlerkolonie, die über Jahrzehnte zahlreiche Malerinnen und Maler anzog. Sie fertigten dort Studien von Licht und Schatten, Spiegelungen auf Wasserflächen oder der Wirkung des Gegenlichts. Die Künstler ließen idealisierende oder romantische Landschaftskompositionen hinter sich und zielten auf eine realistische Naturdarstellung.

Polder und Mühlen, Küste und Stadtleben

Um 1870 entwickelte sich Den Haag zum künstlerischen Zentrum in Holland. Die Maler der Haager Schule brachten die nahe Nordseeküste und die als typisch holländische Landschaft geltenden flachen Polder mit ihren Wiesen und Kühen, Kanälen und Windmühlen ins Bild. Ihre panoramaartigen Gemälde mit niedrigem Horizont und weitem grauen Himmel kommen ohne Handlung aus und ignorieren die Veränderungen der modernen Zeit wie Eisenbahnen oder Telegraphenleitungen. Die realistischen Landschaftsdarstellungen bildeten einen Ausschnitt der Wirklichkeit ab und bekräftigten zugleich die Vorstellung von dem, was die eigene Landschaft ausmachte.

Während die Maler der Haager Schule auch in den 1890er Jahren und danach an ihren Themen und ihrer Malweise festhielten, wandte sich die nachfolgende Generation der Stadt zu. Die Künstler des Amsterdamer Impressionismus genannten Stils waren sowohl hinsichtlich ihrer Technik wie ihrer Themen der Moderne gegenüber aufgeschlossen. Rasche Pinselstriche und kompositorische Anschnitte – wie sie auch die französischen Impressionisten verwendeten – wirken momenthaft wie Photographien. Die Dynamik des Stadtlebens mit all seinen Facetten stand im Mittelpunkt. Modegeschäfte, elektrisches Licht oder Pferdetrams waren die Signaturen der Gegenwart. Für die Küste interessierten sich diese Maler nur mit Blick auf den Strand als Ort der Freizeit und des Vergnügens.

Von Luminismus bis Kubismus

Jacoba van Heemskerck: Zwei Bäume, 1910, Kunstmuseum Den Haag

In den 1890er Jahren kam mit dem Pointillismus eine bis dahin ungekannte Farbintensität in die niederländische Kunst. Die in Frankreich entwickelte Maltechnik konstruierte ihre Bildgegenstände durch Punkte ungemischter Farben, die sorgfältig nebeneinandergesetzt wurden. Wichtiger als das Bildthema war den Pointillisten das Sichtbarmachen von Licht und Farbe. Die um 1905 in Paris von den Fauvisten betriebene Entfesselung der Farbe kam bereits wenig später bei den Künstlern in Holland an. Farbe diente in dem Luminismus genannten Stil nicht mehr der naturalistischen Abbildung der Wirklichkeit und war nicht mehr an bestimmte Gegenstände gebunden. Sie verselbstständigte sich und wurde zum Ausdrucksträger. Die Wirkung von Licht und Schatten war weiterhin ein Thema; Mühlen oder Bäume blieben erkennbare Formen, waren aber durch leuchtende, ungemischte Farben verfremdet. Es ging nicht mehr um die Darstellung der Naturwahrnehmung, sondern um den Ausdruck der individuellen Empfindung. Der bis dahin ungekannte Bruch mit der Tradition des Realismus verstörte viele zeitgenössische Betrachter.

Piet Mondrian: Kleines Haus in der Sonne, 1909, Kunstmuseum Den Haag

Nach 1910 spaltete sich die Avantgarde, wie in anderen Ländern Europas, auch in den Niederlanden in unterschiedliche, sich gleichzeitig ausprägende Richtungen auf. Die Geschwindigkeit der Entwicklung der künstlerischen Formensprache gewährte auch Freiheit bei der Wahl der Ausdrucksmittel. Farbe und Form schienen jetzt variabel wie nie zuvor. Malerinnen und Maler, die ihre künstlerische Entwicklung Ende der 1890er Jahre oder später begonnen hatten, experimentierten jeweils eine Zeit lang mit verschiedenen Verfahren. Die kubistische Aufgliederung der Formen, ihre expressionistische Überspitzung oder ihre Auflösung in der Abstraktion entfernte die Landschaftsdarstellungen immer weiter von der Wiedergabe der sichtbaren Welt.

Die Ausstellung Wolken und Licht. Impressionismus in Holland (8. Juli bis 22. Oktober 2023) versammelt rund 100 Werke von etwa 40 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Johan Barthold Jongkind, Vincent van Gogh, Jacoba van Heemskerck und Piet Mondrian. Zu den Leihgebern gehören das Rijksmuseum und das Stedelijk Museum in Amsterdam, das Kunstmuseum Den Haag, das Dordrechts Museum, das Kröller Müller-Museum in Otterlo und das Singer Museum in Laren. Eine Ausstellung des Museums Barberini, Potsdam, in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Den Haag. Unter der Schirmherrschaft des Botschafters des Königreichs der Niederlande in Deutschland, S. E. Ronald van Roeden.

Mehr erfahren

In diesem Video erfahren Sie mehr über die Kunst in den Niederlanden zwischen den 1840er und den 1910er Jahren, über die Impulse aus Frankreich und das niederländische Licht, über Windmühlen und die Rolle der Künstlerdörfer für den internationalen Erfolg der niederländischen Kunst.

Auf der kostenfreien Barberini App können Sie bereits jetzt den Stadtrundgang „Holland in Potsdam“ entdecken, der Sie zu 20 verschiedenen Orten der brandenburgischen Landeshauptstadt mit spannenden Holland-Bezügen führt. Weitere Informationen rund um die Ausstellung, Tickets, Veranstaltungstipps und Hintergründe finden Sie auf der Website des Museums: www.museum-barberini.de

Titelbild: Ferdinand Hart Nibbrig: In den Dünen von Zandvoort, 1891-1892, Singer Laren, Schenkung P. J. Hart Nibbrig 1981