Toxische Landschaften: Holland und Brandenburg 

Die Niederlande haben eine lange Tradition in der Gewinnung von Gas und Öl aus der Nordsee – doch heute sind zahlreiche Bohrinseln stillgelegt, weil es nichts mehr zu fördern gibt. In der Ausstellung „Toxische Landschaften“, die am 07. Juli im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eröffnen wird, geht die niederländische Künstlerin Tanja Engelberts auf die Suche nach dem Ende der fossilen/Offshore- Energiegewinnung in der Nordsee und den Konsequenzen von toxischen Ablagerungen in der Natur. In zwei Videoarbeiten thematisiert sie den Umgang mit den hochgiftigen Überresten der Energieindustrie.

Erdöl prägt auch Brandenburg als Industriestandort für fossile Rohstoffe: 12 Millionen Tonnen Rohöl wurden bisher jährlich in der Ölraffinerie Schwedt verarbeitet. Damit versorgte der uckermärkische Traditionsbetrieb Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit Benzin, Diesel und Heizöl. Fast 60 Jahre lang kam das Rohöl über die Pipeline Druschba direkt aus Russland. Seit Anfang 2023 gilt das Kriegsembargo gegen russisches Öl. Alternativen sind gefragt. Zugleich sind die scheinbar idyllischen Seen- und Waldlandschaften mit toxischen Überresten der Industrie- und Militärinfrastruktur verseucht und teilweise gar nicht für Menschen zugänglich. In der Lausitz ist einer der größten europäischen Transformationsprozesse im Gang, – der Ausstieg aus der Braunkohleförderung bis zum Jahr 2030. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Energiedebatte neu befeuert. Befinden wir uns tatsächlich am Ende des fossilen Zeitalters in Holland wie auch in Brandenburg? Welche Bilder stehen für diese Prozesse? Wie kann ein Umgang mit den toxischen Hinterlassenschaften dieser Ära aussehen? 

„Hollow“ (2018), der erste Film, den Engelberts während ihres Aufenthalts an der Rijksakademie in Amsterdam gedreht hat, zeigt einen kreisförmigen See, der von einem Deich und einem weiteren größeren See eingeschlossen ist.  Der Bereich ist von Bäumen umgeben, in denen sich Vögel an diesem scheinbar ruhigen Ort entspannen. Wäre da nicht der düstere Lärm im Hintergrund, würde der Betrachter nicht bemerken, dass der dargestellte Ort noch unheimlicher und toxischer ist, als er zunächst erscheint. Tatsächlich handelt es sich um eine künstlich angelegte Insel als Lagerstätte für kontaminierte Schlämme: het IJsseloog in den Niederlanden. 

Im Film mit dem Titel „Decom“ (2021) bezieht sich Engelberts auf eine Abwrackwerft für stillgelegte Gas- und Ölbohrinseln aus den Seesektoren der Niederlande, Englands und Dänemarks. Einst künstlich erschaffen als Arbeitsplatz und Unterkunft für Beschäftigte, die durch ihre Arbeit den Wohlstand der Exportländer sicherten, stehen diese Inseln, wie eine „stumme Armee am Rande der Nordsee“ (Engelberts). Sie läuten das Ende der fossilen Brennstoffindustrie ein, da die Quellen der Nordsee versiegen. 

Doch Engelberts analysiert nicht nur das Zusammenspiel von Natur und fossiler Industrie – sie hat auch die Menschen im Blick, auch wenn in beiden Filmen bewusst keine Menschen zu sehen sind. Es geht genau um diese Leerstellen: denn viele der Menschen, die auf den niederländischen Plattformen und Bohrinseln gearbeitet haben, waren junge Männer, die in ihren Zwanzigern in dieser Branche angefangen haben. Diese Männer verbrachten ihr Arbeitsleben und Teile ihres Privatlebens an diesen weltfremden Stätten. Jetzt sind sie im Ruhestand, und in gewisser Weise sind auch diese Plattformen auf dem Weg in den Ruhestand. „Ich entschied mich bei „Decom“ dafür, den Film ohne Menschen zu drehen, um die Fremdartigkeit dieses Ortes zu verstärken. Die Maschinen übernehmen die Arbeit und räumen die menschlichen Überreste auf. Manchmal kommen wir ganz nah an die Abrissarbeiten heran, was auch ein wirklich gewalttätiger Akt ist, es ist verrückt, das zu sehen.“ – so Engelberts über ihre künstlerische Entscheidung, das Bild vom Ende des fossilen Zeitalters den Maschinen zu überlassen. Diese Auseinandersetzung ist für Engelberts ein Vehikel, um in Text und Bild eine spekulative Zukunftsvision zu entwickeln. Dabei fragt sie, was in geologischen Dimensionen bei von Menschen in Gang gesetzten Prozessen geschieht, die Folgen über unseren eigenen Tod hinaus haben. 

In der Lausitz ist seit den 1990er Jahren, als die Kohlewerke zum Beispiel in Lauchhammer abgebaut wurden, ebenfalls eine ganze Generation inmitten des Lebens „stillgelegt“ worden, was Leerstellen in der ganzen Region hinterlassen hat. Die kommende und bislang umfangreichste Ausstellung der Fotografin Christina Glanz zeigt ab dem 29. September 2023 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte diese Leerstellen in Fotoserien mit beeindruckenden Porträt- und Architekturaufnahmen. Sie bieten einen neuen Blick auf toxischen Kultur- und Naturlandschaften als Überreste der fossilen Energiegewinnung. 

– Dr. Katalin Krasznahorkai, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

07.07. – 03.09.2023

Tanja Engelberts. Toxische Landschaften

Sonderausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

Weitere Informationen

Titelbild: Tanja Engelberts: Hollow (Filmstill), 2021 │ © Tanja Engelberts