Das Holländische Viertel

Als Teil der zweiten Stadterweiterung ließ Friedrich Wilhelm I. ein Quartier im holländischen Stil errichten. Sein Gesandter in Amsterdam hatte dafür Handwerker angeworben. Mit ihren Fähigkeiten sollten sie auch zur baulichen Entwicklung der Stadt beitragen. 

Für sie und als architektonische Reminiszenz an die Niederlande entstand zwischen 1735 und 1742 das Holländische Viertel. Giebel- und Traufenhäuser wechseln sich in den vier Karrees rhythmisch ab. Die frühesten Giebel waren einfach gestaltet. Aufwendig konstruierte finden sich dagegen in den beiden letzten Karrees, die unter Friedrich II. vollendet wurden. Geschnitzte Portale akzentuieren die Häuserzeilen. Rote Backsteine aus Rathenow vervollständigen den niederländischen Eindruck. Mit Häusern an der französischen Kirche 1755 und dreigeschossigen giebelbekrönten Backsteingebäuden am Bassin ab 1773 wurde das Holländische Viertel um mehrere Bauten erweitert. 

Jan Bouman kam als einer der ersten angeworbenen Handwerker aus Amsterdam nach Potsdam. Der gelernte Tischler-, Zimmer- und Schiffsbaumeister gilt als Architekt des Holländischen Viertels. Seine Spuren finden sich vielfach in der Region. Er realisierte Entwürfe von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und entwarf zahlreiche Potsdamer Bürgerhäuser. Zu seinen bemerkenswertesten Gebäuden gehören die Friedrichskirche in Babelsberg und das Prinz-Heinrich-Palais in Berlin, das heute die Humboldt-Universität beherbergt. Er stieg zum Kastellan und königlichen Oberbaudirektor auf. Ihm zu Ehren trägt das Museum des Holländischen Viertels den Namen Jan Bouman Haus. 

Über die Jahre kamen weitere Niederländer in die Stadt, unter ihnen viele Bauhandwerker, Seidenwirker und Samtmacher. Einige blieben nur wenige Jahre. Andere, wie die Familie Van den Bosch, sind bis 1906 in der Stadt nachweisbar. Ihre Kontakte in die alte Heimat rissen nicht ab. Dort erhielt auch die zweite Generation ihre Ausbildung. Die Familie wirkte an der Entwicklung Potsdams mit. Christian Ludwig van den Bosch war nicht nur Innungsmeister, er gehörte auch zu den ersten Stadtverordneten Potsdams. Im 19. Jahrhundert wohnten meist Handwerker und kleine Händler im Holländischen Viertel. Um 1900 zog mit der engen Hinterhofbebauung die Armut ein, die schmucken Portale verschwanden und die Dachstuben wurden ausgebaut. Das Viertel hatte keinen guten Ruf mehr. Touristenführer erwähnten es höchstens als Kuriosum des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. 

Im Jahre 1975 wurde das Holländische Viertel zum Flächendenkmal ernannt. Die Bevölkerung war jedoch überaltert. Als Künstler die vielen leerstehenden Wohnungen für sich entdeckten, begannen die ersten Restaurierungen. Trotz fehlender Ressourcen waren bis 1989 34 Häuser renoviert und andere für Erneuerungen vorbereitet. Das Viertel mit seinen Künstlern und Hausbesetzern verströmte einen ganz eigenen Charme, als die niederländische Königin Beatrix es 1991 besuchte. Stück für Stück restauriert, ist das Holländische Viertel heute ein touristischer Anziehungspunkt. 

– Susanne Marok, Jan Bouman Haus

Dieser Beitrag stammt aus dem Stadtrundgang „Holland in Potsdam“, der anlässlich der Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ (8.7.– 22.10.2023) konzipiert wurde und zu 20 verschiedenen Orten in Potsdam mit niederländischem Bezug führt. Der Stadtrundgang steht wie seine Vorgänger-Projekte „Italien in Potsdam“ und „Frankreich in Potsdam“ als kostenfreie Audiotour auf der Barberini App dauerhaft zur Verfügung und wird im Laufe des Jahres 2023 zudem als „Kleiner Kunstführer“ in der Reihe der Publikationen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten veröffentlicht.

Titelbild: Giebel im Holländischen Viertel │ Foto: PMSG, André Stiebitz