Ein Haus für die Jagd

„Daß allhier auff dem Stern ein groß Hauß soll gebauet werden, wißen Euer Excellence schon“ heißt es im Nachsatz eines Schreibens des Hauptmanns im Königsregiment und Adjutant des Königs Hans Christoph Friedrich v. Hacke an den Ober- und Hofjägermeister Georg Christoph Graf v. Schlieben vom 17. Oktober 1730. Dies ist die erste aktenkundige Erwähnung des Bauvorhabens.

Johann Friedrich Nagel (1765-1825), Ansicht des Jagdschlosses am Stern (um 1790), Foto: SPSG

Im April 1731 verzeichnen die Kabinettsminüten (Kopien sämtlicher Erlasse und Schreiben Friedrich Wilhelms I.) die Anweisung von Baumaterialien „zu denen beyden Häusern, welche in dem hiesigen Parforce Garthen auf dem Stern gebauet werden sollen und dass der Capitain v. Hake dero Regiments und in deßen Abwesenheit der Lieutenant v. Hoffstedt den Bau derer beyden Häuser in dem hiesigen Parforce Garthen besorgen und die Rechnung darüber führen sollen“. Hauptmann v. Hacke wird hiermit die Vertretung des Bauherrn und Verantwortung für die Bezahlung der Handwerker übertragen. In den Akten finden sich bis Ende 1732 Belege für mehrere Zahlungsanweisungen an v. Hacke „zu dem Holländischen Hause“, „zum Brunnen im Neuen Haus“ „zu dem andern Hause“, „zu das 3te Hause im Stern“ sowie „zum Neuen Stall im Parforce Garten“. Auch wenn zunächst nur von zwei Häusern die Rede war, bestand das Gebäudeensemble aus dem in holländischen Stil erbauten Schloss, zwei gleichartigen Pavillonbauten (von denen heute nur noch das Kastellanhaus erhalten ist) und dem später zu einem Wohnhaus umgebauten Pferdestall.

Johann Christoph Bekmann, Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg (1751), Bd. 1, S. 785

Besonders interessant ist auch das folgende, in den Kabinettsminüten wie üblich in Anrede und Grußformel abgekürzt dokumentierte Schreiben Friedrich Wilhelms I. an v. Hacke: „Mein Lieber etc, Ich bin zufrieden, daß der Holländer noch vor 150. thlr. allerley Arbeit verfertiget, welches Ihr demselben bekannt zu machen geruhet, Ich bin etc. Wusterhausen, den 23ten Oct. 1731“. Damit ist ein eindeutiger Beleg vorhanden, dass zumindest ein holländischer Handwerker am Bau des Jagdschlosses mitgewirkt hat. Möglicherweise war hiermit der 1722 aus Holland nach Potsdam gekommene Grenadier und Zimmermeister Cornelius van den Bosch gemeint, der in den Akten auch im Zusammenhang mit der Quittierung von Bauholzlieferungen erwähnt ist und ebenfalls bei anderen großen Bauvorhaben in Potsdam, darunter dem Bau der Garnisonkirche tätig war. Dies passte auch zu der in Bekmanns Historischen Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg (1751) wiedergegebenen Überlieferung, wonach der König sein Jagdhaus am Stern von holländischer Bauart von einem Grenadier von dero Leibregiment habe aufrichten lassen. In dieser soweit ersichtlich ersten Beschreibung dieses Ortes wird der von König Friedrich Wilhelm I. in Potsdam angelegte Thiergarten und auch das Gebäudeensemble an dem ursprünglich 16-strahligen Potsdamer Jagdstern erwähnt, „welches dem Ort ein sehr schönes Ansehen macht, und der der Grosse Stern genennet wird“.

Der Autor stellt alle drei Häuser und ihre jeweilige Nutzung vor und belegt damit zugleich die Existenz des bereits 1767 wegen Baufälligkeit abgetragenen königlichen Jagdpavillons, der hiernach dem König als Unterkunft diente, während der mit den Geweihen des Großen Hans dekorierte Saal im Jagdschloss zum Speisen genutzt wurde. Mit dem dritten Gebäude mit 12 Gemächern, in dem sich das ganze Gefolge einquartierte, ist zweifellos das Kastellanhaus gemeint, während der ehemalige Pferdestall und die weiteren Nebengebäude nicht gesondert erwähnt sind.  

Ein bemerkenswertes Detail bei Bekmanns Beschreibung ist der Hinweis, dass auf einem dieser Häuser (wohl am Jagdschloss) oben die Fabel des Actaeon abgebildet sei mit folgender holländischer Aufschrift: 

Laet geen oog wyt heen schyten, Want het kan tot quaad gedien, Dat gy niet en moogt genieten, En behoeft gy niet de Zien.

Lass den Blick nicht weit umherschweifen, denn es kann zum Unheil führen, auf dass ihr nicht möget genießen, was ihr nicht sehen solltet.

Johann Christoph Bekmann, Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg (1751), Bd. 1, S. 785

Diese Umschrift verweist auf die aus Ovids Metamorphosen bekannte Version der Sage des Jünglings Actaeon, der auf der Jagd die Göttin Diana beim Bad überrascht, woraufhin sie ihn in einen Hirsch verwandelt und er von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird. Danach war seinerzeit über der Eingangstür des Jagdschlosses wohl eine Holztafel mit einem Gemälde oder einer Schnitzerei zur Verwandlung des Actaeon und mit diesem Sinnspruch befestigt. Solche Tafeln waren in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts sehr verbreitet. Es ist anzunehmen, dass Friedrich Wilhelm I. eine solche Tafel mit dem sowohl zur Hirschjagd als auch zum vertraulichen Charakter der geselligen Runden des Königs passenden Motiv in den Niederlanden erworben hatte und an seinem holländischen Jagdhaus anbringen ließ.

Supraportenrelief am Jagdschloss Stern mit dem Motiv des Actaeon, Foto: Förderverein

Das nachweislich erst Anfang des 19. Jahrhunderts über der Tür angebrachte Relief mit jagdlichen Motiven zeigt entgegen bisheriger Deutungen daher wohl nicht den Kopf der Göttin Diana, sondern tatsächlich den Kopf des Jägers Actaeon, der durch das Laub schaut, bevor er von Diana und ihren Gefährtinnen entdeckt und so grausam bestraft wird. Damit wäre das ursprüngliche Motiv hier in künstlerisch abgewandelter Form wieder aufgegriffen worden.

Die Entstehungsgeschichte des Jagdschlosses Stern birgt also noch zahlreiche Geheimnisse, die es zu entschlüsseln gilt. Eine gute Gelegenheit, sich das holländische Haus am Stern aus der Nähe und vor allem auch einmal von innen anzusehen, bieten die im Jahresprogramm des Fördervereins ausgewiesenen Öffnungstage. 

– Bernd Küster, Förderverein Jagdschloss Stern – Parforceheide e.V.