Der erste Film über die Stadt

Einige der ältesten erhaltenen Filmaufnahmen der Stadt Potsdam, seiner Parks und Schlösser befinden sich auf einer Filmkopie aus Den Haag. Der kurze Film der Produktionsfirma „Nederlandsche Bioscop Maatschapij“ (Nebima) ist im Filmarchiv des Bundesarchivs überliefert. Wiederentdeckt wurde der 1920 hergestellte Film erst im Jahr 2010.

Unter dem unscheinbaren Titel „Potsdam“ versammelt sich eine Bilderfolge von 14 Einzelmotiven. Neben dem Schloss Sanssouci und dem Neuen Palais werden weitere Sehenswürdigkeiten aufgesucht: Chinesisches Teehaus, Belvedere, Orangerie, Friedenskirche usw. Nur am Ende verlässt der Film den Schlosspark, um einige Wahrzeichen in der Potsdamer Innenstadt abzulichten: Das Brandenburger Tor, das Stadtschloss mit Ringerkolonnade und das Fortunaportal mit der Nikolaikirche im Hintergrund. Das Holländische Viertel oder andere Gebäude des gebürtigen Amsterdamer Baumeisters Jan Bouman waren für die niederländische Filmfirma offenbar nicht von Interesse. 

Potsdam, 1920

Beim Einsatz filmischer Mittel ist „Potsdam“ äußerst zurückhaltend. Hier und da ein unauffälliger Schwenk, um ein Bauwerk in Gänze darzustellen, oder ein Wechsel der Einstellungsgröße, um architektonische Details etwas deutlicher hervorzuheben. De Friedenskirche, De oranjerie, De historische molen – auch die Zwischentitel des stummen Films sind spartanisch. Starre Kamerastandpunkte und statische Bilder herrschen vor. Es wirkt, als sollten diese bloß nicht durch auffällige Bewegungen oder Personen „gestört“ werden. Nur hin und wieder erinnern eine sich zart kräuselnde Wasseroberfläche oder einzelne Passanten im Hintergrund daran, dass es sich hier um „Bewegtbilder“ und nicht um Fotografien handelt. 
 
Die Abfolge der Tableaus wirken an heutigen Sehgewohnheiten gemessen etwas nüchtern. Sie ist einem Lichtbild-Vortrag ähnlicher als den damals ebenfalls verbreiteten Gattungen Aktualität oder Lokalbild, die den Kinobesucher*innen immer auch Neues, Außergewöhnliches, Unterhaltsames bieten wollten.1 Für eine erklärende Kommentierung, vielleicht durch einen Lehrer, hätte sich „Potsdam“ bestens geeignet. Über einen derartigen Einsatz des Films kann aber nur gemutmaßt werden. Und trotzdem handelt es sich bei dem Kurzfilm um ein einzigartiges Zeitzeugnis, das uns gerade durch seine konventionelle Motivauswahl und prosaische Darstellungsweise einiges über das damalige Selbstbild der Stadt erzählt. Hier geht es zuallererst um die Wiedererkennbarkeit prunkvoller Architekturen. In pittoreske Bildkompositionen eingefügt, schmeicheln sie einem nostalgischen Blick. Potsdam ist in diesen Bildern noch ganz und gar als Residenz- und Garnisonstadt präsent – die es 1920, seit Versailler Vertrag und Abdankung des Kaisers, nicht mehr war.

Potsdam, 1920

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs strebte die Stadt Potsdam an, den Tourismus zurückzugewinnen. Filme waren in dieser Zeit ein viel genutztes Werbemittel für die Touristikförderung. Der Reiz des Vergangenen sollte zum Besuchermagneten werden. Das homogene Bild, das der Film zeichnete, entsprach den Bemühungen, z. B. von Heimatschutzvereinen, das „alte Potsdam“ zu bewahren und die Begleiterscheinungen von Modernisierungs- und Industrialisierungsprozessen einzudämmen. Potsdam wird hier als „Gegenpol zu Berlin, der rastlosen Metropole der Moderne“2 inszeniert. Nicht gezeigt wird die Innenstadt, deren Gesicht sich in den vergangenen Jahren durch Zuzug, bauliche Verdichtungen und die Einrichtung von Ladengeschäften bereits stark verändert hatte. Die Stadt sei „baulich verwahrlost und verwüstet“3, urteilte der Potsdamer Regierungsdezernent für „Pflege der Heimatkunst“ 1914.

Der Film „Potsdam“ von 1920 spiegelt die zeitgenössischen Anstrengungen, ein vor-modernes Stadtbild zu konservieren und zu vermarkten. Damit ließe sich vielleicht auch erklären, warum das Holländische Viertel in dem niederländischen Film nicht zu sehen ist. Im selben Jahr wird ein „Ortsstatut zur Verhütung der Verunstaltung des Stadtbildes“ erlassen. (Ein immens wichtiger Baustein für den Denkmalschutz der Stadt!) Das Holländische Viertel allerdings gehörte in den Bereich der ersten Stadterweiterung und damit nicht zu dem im „Verunstaltungsgesetz“ definierten Schutzbezirk. Die Häuser dort seien „der Mehrzahl nach so unscheinbar und einförmig, dass ihnen bedeutender künstlerischer Wert nicht zugesprochen werden könne“4.

– Sachiko Schmidt, Filmmuseum Potsdam

1 Zur Unterscheidung verschiedener Städtefilm-Gattungen und deren jeweiligen Auswertungszusammenhängen siehe Uli Jung und Jeanpaul Goergen in: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland, Stuttgart 2001/2005.  
2 Armin Hanson: Denkmal- und Stadtbildpflege in Potsdam 1918-1945, Berlin Lukas Verlag 2011 , 388.
3 Armin Hanson: Denkmal- und Stadtbildpflege in Potsdam 1918-1945, Berlin Lukas Verlag 2011, 69.
4 Armin Hanson: Denkmal- und Stadtbildpflege in Potsdam 1918-1945, Berlin Lukas Verlag 2011, 75.

Trailer

Der vollständige Film ist im Kino2online, dem VoD-Angebot des Filmmuseums Potsdam zu sehen. Für den Stummfilm hat der Musiker Helmut Schulte an der Welte-Kinoorgel des Filmmuseums eine Begleitung eingespielt.