Das Holländische Etablissement

Im Neuen Garten König Friedrich Wilhelms II. waren Nebengebäude des Marmorpalais mit Glocken- und Treppengiebeln aus rotem Backstein als ‚Holländisches Etablissement‘ errichtet worden. Zu diesem Etablissement zählten das Portierhaus mit vier Torpavillons für die Wachposten am Parkeingang, dahinter vier an der Hauptallee aufgereihte Offizianten- oder Dienstwohnhäuser für das Kutschen und Hofpersonal sowie zwei Pferdeställe und eine Wagenremise für die Kutschen.

Das Hofdamenhaus im Neuen Garten, Foto: PMSG, André Stiebitz

Den Abschluss bildete das Kavalier- und Damenhaus für das adlige Gefolge oder hochrangige Gäste, das sich durch vier ‚holländische‘ Glockengiebel auszeichnet. Daneben wurde das Orangenhaus platziert und in der Nähe eine Tulpenwiese angelegt. Ursprünglich sollte die Dorfanlage noch durch einen Kirchturm komplettiert werden, was jedoch nicht mehr ausgeführt wurde. Kunstdörfer waren im frühen Landschaftsgarten keine Seltenheit. Zumeist fungierten sie als pittoreske Kulisse für höfische Gartenfeste. Ein bekanntes Beispiel ist der Weiler der Königin, der „Hameau de la Reine“ in Versailles. In der Nähe der Zarenresidenz Peterhof gab es auch einen holländischen ‚Lustort‘ in dieser Art. In Potsdam diente das Etablissement jedoch mehr praktischen Erfordernissen. Dementsprechend erinnert dort die Aufreihung der Backsteingiebel an der Hauptallee an ein Lakaien-Spalier. 

Mit dem Bau des Holländischen Etablissements war im Jahr 1789 begonnen worden. In diesem Jahr war der Besuch der Erbstatthalterin der Niederlande Wilhelmine von Preußen und ihres Sohnes Willem (nachmaliger König Wilhelm/Willem I. der Niederlande) in Berlin und Potsdam erfolgt. Die Erbstatthalterin war eine Schwester Friedrich Wilhelms II. Ihr Onkel König Friedrich II. hatte sie mit Wilhelm/Willem V. von Oranien verheiratet. Der Besuch in Berlin 1789 sollte das preußisch-niederländische Bündnis nach dem Sieg preußischer Truppen über die anti-oranischen ‚Patriotten‘ bekräftigen. Nach ihrer Vertreibung durch die ‚Patriotten‘ war die Rückkehr des Erbprinzenpaares nach Den Haag in Berlin mit Militärparaden und höfischen Festen gefeiert worden. Dem militärischen Erfolg der preußischer Truppen in den Niederlanden sollte vor allem durch den Bau des Brandenburger Tores ein bleibendes Denkmal gesetzt werden. Das preußisch-niederländische Bündnis wurde schließlich mit der Verlobung des Erbprinzen Wilhelm/Willem von Oranien mit Prinzessin Friederike Luise Wilhelmine von Preußen, der späteren erste Königin der Niederlande besiegelt. Bei ihrer Hochzeit in Berlin 1791 war das Holländische Etablissement im Potsdamer Neuen Garten bezugsfertig.

Das Hofdamenhaus im Neuen Garten, Foto: SPSG, Imke Zugermeier

Die berühmteste Bewohnerin des Etablissements war Wilhelmine Gräfin Lichtenau, die frühere Mätresse Friedrich Wilhelm II. Als enge Vertraute des Königs verbrachte sie die Sommermonate von 1791 bis 1797 mit ihren Kindern in der Nähe des Königs im Kavalier- und Damenhaus. Nach dem Tod des Königs blieb es im Neuen Garten über viele Jahrzehnte eher ruhig. Dies änderte sich, als 1881 und 1905 die kaiserlichen Kronprinzenfamilien das Marmorpalais als Sommerresidenz bezogen und das Personal des kronprinzlichen Hofmarschall-Amtes im Holländischen Etablissement Einzug hielt. Zur Unterbringung des angewachsenen Hofstaates mussten auch hier sämtliche Dachgeschosse und Nebengelasse ausgebaut werden. Neben den alten Pferdeställen wurden aus roten Backsteinen eine große Reithalle und für die kronprinzlichen Automobile moderne Garagen errichtet. 

Nach dem Ende der Monarchie 1918 blieben die Ex-Kronprinzenfamilie im Cecilienhof und ein Teil ihrer Bediensteten im Holländischen Etablissement. Mit der Kaiserin ins niederländische Exil nach Doorn gegangen war ihre frühere Hofdame Gräfin Keller. Von dort kam sie bereits 1921 in ihr altes Domizil im Holländischen Etablissement zurück, um im Damenhaus ihren Lebensabend zu verbringen. Nach Besetzung des Neuen Gartens durch die Rote Armee 1945 zogen in die Offiziantenhäuser des Etablissements die Kommandanten des sowjetischen ‚Kulturparks‘, der von 1945 bis 1952 im Neuen Garten als Freizeitpark für Militärangehörige betrieben wurde. Über der Besucherkasse im Portierhaus prangte damals ein großes Plakat mit Darstellung des Moskauer Kreml; an der Hauptallee priesen beidseitig riesige Propagandatafeln die siegreiche Sowjetarmee. Nach Auflösung des Kulturparks sind sämtliche Eingriffe und Zutaten aus der Zeit verschwunden. Die Reithalle beherbergte seit 1968 das Potsdamer Planetarium, das 2007 ins Holländische Viertel der Stadt umzog. Heute leben und arbeiten im Holländischen Etablissement ausschließlich Mieter und Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. 

– Stefan Gehlen, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten