Holland in der Mark  

Holland in der Mark – Schlaglichter einer Beziehungsgeschichte. Eine Vortragsreihe der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte konzipiert von Matthias Asche von der Universität Potsdam.

Es waren zwei Epochen, in denen die Mark Brandenburg maßgeblich von niederländischen Siedlungs- und Kultureinflüssen geprägt war: das Hochmittelalter und die Barockzeit. In beiden Epochen kamen nennenswerte Zahlen von Niederländern in das Land zwischen Elbe und Oder – zunächst als Siedler, im 17. und frühen 18. Jahrhundert zudem als Künstler, Ingenieure und Gewerbetreibende. In vier Vorträgen im Haus der Preußisch-Brandenburgischen Geschichte werden diese Beziehungen vorgestellt. 

Gerrit van Honthorst: Doppelportrait des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I mit seiner ersten Ehefrau Luise Henriette von Nassau-Oranien, 1647, Mauritshuis, Den Haag

Die Bezeichnung Fläming als Landschaft und Höhenzug im heute südlichen Teil des Landes Brandenburg verbindet sich mit der Einwanderung der Flamen (Flemingen), die – wie auch andernorts – im Kontext der Landnahme während der sogenannten deutschen Ostsiedlung hier dauerhaft Fuß gefasst hatten. Dieser Landesausbau begann schon bald nach der Gründung der Mark Brandenburg durch Markgraf Albrecht den Bären und vollzog sich im 12. und 13. Jahrhundert in mehreren Wellen, umfasste aber keineswegs nur Siedler aus Flandern und aus den Niederlanden. Unter den Pionieren befanden sich auch Einwanderer aus den weit dichter als östlich der Elbe besiedelten Gebieten des Rheinlandes, Westfalens, Niedersachsens und sogar Frankens. Die Flamen und Holländer brachten zudem ihre Erfahrungen im Deichbau mit und trugen so zu den frühen Eindeichungen von Elbe und Havel bei, die bereits in dieser Zeit in Angriff genommen wurden. Auch noch Jahrhunderte später – im 16., 17. und frühen 18. Jahrhundert – wurde die Expertise der Niederländer genutzt, um Deiche zu errichten und die Sumpfgebiete (Brüche) entlang der Flüsse in der Neumark (Netze, Drage, Warthe) und im Havelland trockenzulegen, um auf diese Weise Kulturland für Siedlung und fruchtbare Äcker zu gewinnen. Im frühen 18. Jahrhundert wurden von Spezialisten für Butter- und Käsemachen neue Methoden der Viehhaltung eingeführt (Holländereien). Noch für die Begradigung der Oder sowie die Entwässerung und Besiedlung des Oderbruches wurde mit Simon Leonhard von Haerlem ein Angehöriger einer niederländischen Deichgrafenfamilie von Friedrich dem Großen eingestellt. 

Wesentlich begründet wurden Transferprozesse durch die Eheschließung des jungen Kurfürsten Friedrich Wilhelm mit Luise Henriette, der Tochter des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau. Kurfürstin Luise Henriette war dabei zweifellos eine wichtige, aber keinesfalls die einzige Vermittlerin niederländischer Kultur und Gewerbes. Zu den bedeutendsten Vermittlern niederländischer Kultur gehörte insbesondere Johann Moritz von Nassau-Siegen, der als Vertrauter des Großen Kurfürsten nach dem Dreißigjährigen Krieg als Statthalter für die hohenzollernschen Besitzungen in Kleve am Niederrhein bestellt worden war. Fürst Johann Moritz war das Bindeglied eines bemerkenswerten Kultur- und Wissenstransfers, der für mehrere Jahrzehnte zu einem Zuzug von zahlreichen Ingenieuren, Künstlern und Gewerbetreibenden aus den Niederlanden in das nur wenig entwickelte Brandenburg führen sollte. In diesem Zusammenhang kamen Baumeister wie Johann Gregor Memhardt (Berliner und Potsdamer Residenzschloss, Schloss Oranienburg) oder Cornelis Ryckwart (Festung Küstrin). Johann Moritz von Nassau-Oranien kaufte im Auftrag des Kurfürstenpaares gezielt Kunstwerke aus den Niederlanden an und legte so den Grundstein für die spätere Berliner Kunstkammer. Schließlich stellte er zahlreiche Kontakte mit Technikern für Festungs-, Kanal- und Schleusenbau her, wie beispielsweise mit Michael Matthias Smids, der als Hofbau- und Schleusenmeister die Residenz entwässerte und daneben auch zahlreiche Pläne für Windmühlen entwarf, sowie mit Architekten, Kunsthandwerkern und Gartenbauern.  

Zur Belebung der Wirtschaft siedelte Kurfürst Friedrich Wilhelm Delfter Porzellanmacher, niederländische Seiden-, Drell- und Damastmacher an. Insgesamt war gerade das erst unter König Friedrich Wilhelm I. zur zweiten Residenzstadt gewordene Potsdam – mehr noch als Berlin – von niederländischen Einflüssen geprägt, wie das vom Amsterdamer Bauingenieur Johann Boumann konzipierte Holländische Viertel eindrücklich zeigt. Letzterer wirkte auch in Berlin, wo sein Spätwerk der Bau der Sankt-Hedwigs-Kathedrale war. Eine kurze Episode blieb hingegen das Experiment des Großen Kurfürsten, Kolonien in Westafrika und in der Karibik zu erwerben. Das niederländische Vorbild trat hier insofern deutlich hervor, als er mit niederländischen Kaufleuten eine Brandenburgisch-Africanische Handels-Compagnie gegründet und für diesen Zweck der aus Vlissingen stammende Reeder, Kaperkapitän und Kaufmann Benjamin Raulé bei Havelberg einen kurfürstlichen Schiffsbauhof eingerichtet hatte, auf welchem fortan Schiffsrümpfe aller Art hergestellt wurden. Es ist unumstritten, daß der starke Einfluß der Niederlande auf die Entwicklung der Berlin-Potsdamer Residenzenlandschaft und Brandenburgs insgesamt mit einer wirtschaftlichen Stimulierung und kulturellen Neuausrichtung zwischen der Mitte des 17. und dem Beginn des 18. Jahrhunderts verbunden war. Im weiteren 18. Jahrhundert wurde der niederländische mehr und mehr durch französische Kultureinflüsse abgelöst. 

– Prof. Dr. Matthias Asche, Professor für Allgemeine Geschichte der Frühen Neuzeit, Universität Potsdam in Kooperation mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

Holland in der Mark – Schlaglichter einer Beziehungsgeschichte. Eine Vortragsreihe im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte