Die Gemälde der „Oranischen Erbschaft“

Die Bildergalerie von Sanssouci birgt einen „niederländischen Schatz“, von dem heute nur Wenige wissen. So kann man hier unter anderem zahlreiche Gemälde besichtigen, die einst dem Statthalter der Republik der Vereinigten Niederlande – Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau (1584-1647) – gehörten. Doch wie kam es, dass Gemälde dieser prominenten Sammlung nach Preußen gelangten und heute in Potsdam zu sehen sind?  

Als der oranische Statthalter 1647 verstarb, verlief seine Erbfolge in männlicher Linie. Da die Ehe seines Enkels Wilhelm III. (1650-1702) kinderlos blieb, starb die Linie Oranje-Nassau 1702 im männlichen Stamm aus. Anspruch auf das Erbe erhob nun Friedrich I. König in Preußen (1657-1713), der als Sohn einer oranischen Prinzessin nun der älteste lebende Enkel Friedrich Heinrichs war. Vor dem Hintergrund des erhofften Erbes besetzte der preußische König 1702 einige Orte in Grenznähe zur Republik, musste jedoch feststellen, dass Wilhelm III. nicht ihn, sondern seinen Vetter der friesischen Linie Nassau-Dietz als Erben eingesetzt hatte. Langjährige Auseinandersetzungen mit der Linie Nassau-Dietz folgten. Zunächst erhielt Friedrich I. das vorläufige Nutzungsrecht einiger oranischer Schlösser. Auch Huis ten Bosch, der heutige Sitz der niederländischen Königsfamilie, wurde zwischen 1703 und 1732 preußisch, nachdem eine Tante Friedrichs I. es an ihn abgetreten hatte. 

Erst 1732 kam es zu einem Einigungsvertrag. Hierbei erhielt Preußen u.a. das (heute nicht mehr existierende) Schloss Honselaersdijk und den Palast Noordeinde (Oude Hof) in Den Haag. Hieraus ließen die preußischen Könige zwischen 1706 und 1746 Kunstwerke, u.a. Porzellane, Möbel und Gold- und Silberschmiedearbeiten, sowie Pflanzen und Vögel aus den Parks nach Berlin überführen oder verkaufen. Darunter befanden sich auch fast 70 Gemälde der flämischen und niederländischen Schulen des 17. Jahrhunderts. Bereits Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) holte 17 Gemälde nach Berlin und plante kurz vor seinem Tod wohl weitere Transporte. Sein Sohn Friedrich II. (1712-1786) griff diese Idee auf, beauftragte seinen Architekten Knobelsdorff mit der Sichtung und ließ ab 1742 50 Gemälde abtransportieren. Wenige Jahre später ließ er die fast 4.000 Titel umfassende Bibliothek des Oude Hof verkaufen. 1754 folgte schlussendlich der Verkauf der oranischen Schlösser, die Friedrich II. gegen einen hohen Preis an die Statthalterfamilie Nassau-Dietz abgab. Sie waren seit 1702 nur gelegentlich durch die preußischen Könige genutzt worden, hatten aber Kosten für den Unterhalt der Bauten und Parks sowie für die Angestellten verursacht. 

Von den nach Berlin gebrachten Bildern wurden einige Meisterwerke von Peter Paul Rubens, Anton van Dyck oder Jan Lievens prominent im Berliner Schloss präsentiert, u.a. in der dortigen Bildergalerie und in der Wohnung Friedrichs II. Vieles wurde jedoch erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Schloss gehängt. Seit dem Ende des 19. beziehungsweise dem 20. Jahrhundert befinden sich zehn herausragende Gemälde der oranischen Sammlung in der Bildergalerie von Sanssouci. Sie ergänzen die Hängung Friedrichs II. von um 1763/64 und ersetzen Verluste, die die Bildergalerie seit 1830 und 1945 zu beklagen hat.

Aus dem vom Statthalter als Jagdschloss genutzten Schloss Honselaersdijk stammen einige Darstellungen, die sich mit dem Thema der Jagd beschäftigen. Hierzu gehört die „Krönung der Jagdgöttin Diana“ von Peter Paul Rubens (und Werkstatt), der die Figuren ausführte, während Frans Snyders die Darstellung der Tiere übernahm. Im Speisesaal nahm das Bild einen Ehrenplatz über dem Kamin ein. Auch die mythologische Jagd „Meleagers und Atalantes“ von Gerrit van Honthorst verweist auf das Thema. Drei monumentale Historienszenen Thomas Willeboirts Bosschaerts: „Jason und Medea“, „Dido und Aeneas“ und „Die Flucht nach Ägypten“ lassen die Vorliebe des oranischen Hofes für den Maler erkennen, der im Stile Van Dycks arbeitete. Einen weiteren Höhepunkt des oranischen Erbes stellt der „Mann im orientalisierenden Kostüm“ dar, den Jan Lievens, 1629/31 in Leiden anfertigte. Als Werk Anton van Dycks galten in der Sammlung des Statthalters ein monumentales Reiterbildnis des Kardinalinfanten Ferdinand von Spanien (1609-1641), das heute als Kopie nach Rubens bewertet wird und ein Bildnis der Infantin Isabella Clara Eugenia (1566-1633). Darüber hinaus gehören in der Bildergalerie von Sanssouci Gemälde von Abraham Bloemaert und Frans Wouters zum oranischen Sammlungskomplex. Weitere Bilder der Erbschaft werden im Schloss Oranienburg sowie in der Gemäldegalerie der Berliner Museen gezeigt, während andere zu den Kriegsverlusten gehören.  

Auch aus der Sammlung der Statthaltergattin Amalia von Solms (1602-1675) bewahrt die SPSG einige Gemälde, darunter in der Bildergalerie von Sanssouci van Dycks „Thetis empfängt die Waffen für Achill“. Sie gelangten in weiblicher Erbfolge über die Söhne Kurfürstin Louise Henriettes 1676-81 nach Brandenburg-Preußen.  

– Dr. Alexandra Nina Bauer, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Titelbild: Peter Paul Rubens & Frans Snyders: Krönung der Diana, vor 1620, SPSG │ Foto: SPSG, Roland Handrick