Holländische Fliesen im Jagdschloss Stern
Man muss schon den Blick nach unten richten, um sie zu entdecken. Die manganfarbenen Ornamentfliesen in den Vorräumen zur Küche und zum Schlafzimmer des Königs, die als Scheuerleiste die weiß getünchten Wände beim Reinigen der Böden vor Verschmutzung bewahren sollten.
Die Fliesen sind ein originales Relikt der Erbauungszeit des Schlosses und ein weiterer Beleg dafür, dass Bauherr Friedrich Wilhelm I. offenkundig Wert darauf legte, dieses Haus auch in solch vermeintlich unscheinbaren Details getreu nach holländischer Art auszuführen. Die Fliesen zeigen ein auch für eine Verfliesung größerer Flächen geeignetes Motiv aus stilisiertem Blattwerk, einer Nelke (lat. Dianthus, nl. Anjer) und einer Schachbrettblume (lat. Fritillaria meleagris, nl. Kievitsbloem).
In den Scheuerleisten im Jagdschloss Stern sind sie gleichförmig in einer Reihe verlegt. Motiv und Farbe dieser charakteristischen Fliesen sind aus Musterbüchern der Rotterdamer „Tegelbakkersgilde“ bekannt und auch in den Fliesenmanufakturen in Amsterdam, Bolsward, Harlingen, Makkum und Utrecht nachgewiesen. Leider wurde im erhaltenen Aktenbestand zum Jagdschloss Stern bisher kein Beleg für die genaue Herkunft und Lieferung dieser Fliesen gefunden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Scheuerleisten im Flur zeitgleich mit der deckenhohen Verfliesung der Küche angebracht wurden.
In holländischen Bürgerhäusern des 17. und 18. Jahrhunderts waren Küchen, Flure, Wandbereiche um Kamine und Kochstellen vielfach mit Fayence-Fliesen verkleidet. In Küchen wurden teure blau-weiß oder manganfarben bemalte Fliesen üblicherweise nur als Blickpunkt für die Rückwand der Kochstelle verwendet und die Wände im Übrigen weiß gefliest. Unregelmäßigkeiten in Oberfläche und Farbe durch die handwerkliche Fertigung und den Brennvorgang vermittelten aber auch rein weiß gefliesten Flächen einen lebendigen Raumeindruck. Die großflächige Verlegung von bemalten Fliesen zur Dekoration ganzer Räume kam erst durch die Gestaltung von Sommerspeisesälen in Schlössern in Mode. Ein Beispiel hierfür ist die um 1720 von Friedrich Wilhelm I. veranlasste Ausstattung des Fliesensaals im Schloss Caputh.
Von der originalen Fliesenausstattung im Jagdschloss Stern sind nur noch die hier beschriebenen manganfarbenen Ornamentfliesen erhalten. Sie waren zwar stark beschädigt, aber überwiegend noch in situ vorhanden. Eine kleine Ausstellung im Jagdschloss Stern vermittelt einen Eindruck von der aufwändigen Restaurierung dieser Ornamentfliesen während der Sanierung des Schlosses in den 1980er Jahren.
Die Rettung und Restaurierung der holländischen Fliesen im Jagdschloss Stern ist ein weiteres spannendes Kapitel in der wechselvollen Geschichte dieses besonderen Gebäudes und kann bei einer speziellen Themenführung des Fördervereins am 27. August 2023 vor Ort erlebt werden.
– Dr. Bernd Küster, Vorsitzender des Fördervereins Jagdschloss Stern – Parforceheide e.V.