Antinous, Apoll & Endymion
Die Skulpturen von Asmus Frauen im Park Sanssouci.
Den drei etwas überlebensgroßen Marmorskulpturen des niederländisch-dänischen Bildhauers und Kupfergießers Asmus Frauen (1707-1779) begegnet man heute im Park Sanssouci an zwei Orten. Ursprünglich waren sie am Mittelrisalit der Neuen Kammern vereint. Doch nur noch die Figur des Endymion steht dort am originalen Standort.
1749 ließ der preußische König Friedrich II. (1712-1786) insgesamt 26 Marmorskulpturen vor der langen Front der Orangerie, die später zum Gästeschloss Neue Kammern umgebaut wurde, aufstellen. 22 stammten von jungen italienischen Bildhauern, die nach antiken Werken in den Marmorbrüchen des Grafen del Medico in Carrara als sogenannte „Gartenware“ mehr oder minder gut ausgeführte Skulpturen schufen. Der Mittelrisalit der Neuen Kammern aber war durch besonders qualitätvollen Skulpturenschmuck aus den Niederlanden ausgezeichnet. Hier standen die drei von Asmus Frauen bezeichneten Werke: die Figuren Antinous und Endymion mit der Signatur „AS Frauen fecit“, Apoll mit den gerade noch lesbaren Buchstaben „A F · Fe…“ (Fecit) sowie eine vierte unbezeichnete Statue des Narziss. Sie kann ebenfalls einer niederländischen Werkstatt zugeschrieben werden, vielleicht auch derjenigen von Asmus Frauen.
Endymion steht am Mittelteil der Neuen Kammern an der zweiten Position von links: ein junger Mann in elegant geschwungener Pose mit Bogen und Köcher. Die Mondgöttin Selene, später mit Artemis/Diana gleichgesetzt, hatte sich in den schönen Hirten und Jäger verliebt. Um seine Jugend festzuhalten, versetzte sie ihn mit Hilfe von Göttervater Zeus in ewigen Schlaf und besuchte ihn nur nachts. Zwei Plätze weiter rechts blickt versonnen ein langgelockter Jüngling mit erhobener linker Hand und überkreuzten Beinen neben einer Muschel nach unten: Narziss scheint erstaunt, nachdem er gerade sein eigenes Spiegelbild auf einer Wasserfläche gesehen und sich darin verliebt hat.
Um die beiden anderen ursprünglich zu dieser geschätzten Vierergruppe gehörenden Skulpturen zu sehen, spazieren wir zu dem Rondell am Hauptweg direkt unterhalb der Neuen Kammern. Seit Ende des 18. Jahrhunderts stehen Apoll und Antinous an diesem Ort. Nach dem Tod Friedrichs II. waren die meisten der im Park aufgestellten vergoldeten Bleifiguren seiner Zeit durch Witterungseinflüsse derart beschädigt gewesen, dass man sie entfernen musste. So auch in diesem Rondell, in dem ehemals acht Plastiken aus vergoldetem Blei von Georg Franz Ebenhecht (um 1710-1757) gestanden hatten. Auch sie verschwanden, der Rundplatz musste mit anderen Figuren bestückt werden. Eine Quelle von 17941 beschreibt erstmals die veränderte Skulpturenausstattung: neben mehrfigurigen Gruppen aus Carrara (ebenfalls aus der Lieferung des Grafen del Medico) werden „vier Statuen von Marmor“ erwähnt, darunter Apoll und Antinous.
Als Gott der Gestirne thront Apoll bekanntlich über den die neun Himmelssphären beherrschenden Musen. Seine linke Hand berührt in einer grazilen Geste die Himmelskugel, auf der die Mondsichel und Sterne zu sehen sind. Die sonst übliche Leier ist hier durch ein Zepter ersetzt. Somit verweist die Darstellung auf den Planeten- und Sonnengott Sol (griech. Helios), mit dem Apoll seit der Spätantike gleichgesetzt wurde und wie ihn beispielsweise auch Albrecht Dürer (1471-1528) um 1503 dargestellt hatte.
Antinous präsentiert seinen schönen Körper, vor seinem Geschlecht erblühen Rosen. Der etwas niedergeschlagene Gesichtsausdruck nimmt seinen tragischen Tod vorweg. Zwischen 110 und 112 n.Chr. war er in Bithynien (Kleinasien) geboren worden. Als Freund und vermutlich Geliebter von Kaiser Hadrian (76-138 n.Chr.) begleitete er diesen auf Reisen. Das Schilfbündel in seiner Rechten verweist darauf, dass er 130 n.Chr. auf einer dieser mit Hadrian unternommenen Fahrten unter ungeklärten Umständen im Nil ertrunken sein soll. In seiner großen Trauer über diesen Verlust erhob der Kaiser den Jüngling zum Gott und ließ ihn kultisch verehren. Hadrian umgab sich mit unzähligen Bildnissen des jungen Bithyniers. Auch Friedrich II. besaß in seinen Sammlungen mehrere Antinous-Statuen und -Büsten. Asmus Frauens Antinous-Darstellung orientiert sich an einer berühmten antiken Statue, den Hermes von Belvedere, der sich in Rom in den Vatikanischen Museen im Cortile del Belvedere befindet. Die seitenverkehrte Ausführung geht wohl darauf zurück, dass sich der Bildhauer, der sich u.a. als Schüler von Giuseppe Rusconi (1687-1737) auch in Italien aufgehalten hatte, wohl nicht an dem antiken Original, sondern an einer Graphik orientierte. So könnte er das Blatt seiner Landsleute Jan de Bisschop und Pieter Doncker mit der Darstellung des Hermes, des sogenannten Antinous von Belvedere, herangezogen haben, einer etwa 1668 entstandenen Radierung.2
Für die beiden Skulpturen Antinous und Endymion hat sich eine Rechnung von „Asmus Frauen, Bildhauer in Amsterdam, 1. Juni 1748“ erhalten. Beide weisen auch die gleiche, gleichmäßig geschwungene Art der Signatur auf. Apoll mit der abweichenden, offenbar nicht mehr vollständigen Signatur scheint einer anderen Lieferung zu entstammen, für die bisher keine Quittung belegt ist. Möglicherweise kam diese Figur gemeinsam mit dem Narziss, der die Vierergruppe vor dem Mittelrisalit der Neuen Kammern ab 1749 vervollständigte.
Frauens früherer Aufenthalt in Italien könnte der Grund für die Figuren-Bestellung durch den preußischen König Friedrich II. gewesen sein. Da er ab 1746 als Mitarbeiter von Peter (II) Schemaker (1691-1781) acht Jahre in England arbeitete, können sie auch früher entstanden sein. Viel ist über den vielseitigen Bildhauer und Gießer noch nicht bekannt.3 Er fertigte für kirchliche, private und fürstliche Auftraggeber Skulpturen und Reliefs in Sandstein, Marmor und Kupfer an, so zwischen 1746 und 1753 Putten für die Gartengrotte im Schlosspark Wilhelmsthal bei Kassel. Belegt ist seine Werkstatt in Amsterdam zwischen 1756 und 1769. Für die Dordrechter Liebfrauenkirche schuf er in Rokokoformen den beeindruckenden Kanzelkorb aus Marmor (1753 bis 1756 nach dem Modell von Jan Havener), für die Stockholmer Riddarholm Kirche den Sarkophag von Karl XII.
– Dr. Silke Kiesant, Kustodin der Skulpturensammlung, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
1 Rumpf, Johann Daniel Friedrich: Beschreibung der aeussern und innern Merkwürdigkeiten der Königlichen Schlösser in Berlin, Charlottenburg, Schönhausen, in und bey Potsdam. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische, Berlin 1794, S. 229.
2 Jan de Bisschop nach Pieter Doncker: Hermes, sog. Antinous vom Belvedere, um 1668, Radierung, Stendal, Winckelmann-Museum
3 Für das Folgende siehe: Römer, Uta: Frauen, Asmus, in Allgemeines Künstlerlexikon 44, 2005
Titelbild: Detail: Asmus Frauen: Endymion, Marmor, um 1748, Park Sanssouci, Neue Kammern, Mittelrisalit │ Foto: SPSG