Gläsernes Grottenwerk im Holländischen Garten
Kurz nach Baubeginn der Bildergalerie östlich des Schlosses Sanssouci unternahm Friedrich II. im Jahre 1755 eine Inkognito-Reise nach Holland, um sich dort Gemäldesammlungen anzusehen. Offenbar interessierte er sich im Hinblick auf den geplanten Gartenbereich zwischen Oranierrondell und Bildergalerie auch für die holländische Garten- und Grottierkunst. In Tulpenburg lernte Friedrich den Gärtner und Grottierer Joachim Ludwig Heydert kennen, den er nach Potsdam berief, um hier den holländischen Garten und die Grottierung an der oberen Terrassenmauer zur Bildergalerie auszuführen.
Die von Heydert in Potsdam ausgeführten Grottierungen sind nicht mehr erhalten. Eine ungefähre Vorstellung von diesen Dekorationen vermitteln eine Zeichnung von Johann David Schleuen von 1770 und eine Skizze von Adolph Menzel aus dem Jahre 1842 sowie zeitgenössische Beschreibungen. Sowohl im Holländischen Garten, als auch an der grottierten Mauer waren demzufolge Ornamente aus Glas in höchst eigentümlicher Form eingefügt: „Jedes Fach auf das künstlichste grottieret, und deren Grund mit Perlmutter-Schalen oder Cristal de Roche belegt ist, mit Mascarons- und Festons-Arbeit, deren Blumengesichter, Früchte und Federbüsche, von ächten Corallen, Muscheln und Glas-Corallen bestehen“ (Salzmann, 1772).
Das Parterre vor der Terrassenmauer bestand aus zwei Viertelkreisen mit Buchsbaumkonturen und darin eingefügten blauen Glaskorallen, die auf lange Schnüre aufgefädelt und dann auf Kies ausgelegt waren. Ein Zeitgenosse beschrieb den Bereich so: „Holländische Garten-Partie mit durchbrochenen Berceau, nebst zwey Parterres, deren Laubwerk von Glas-Corallen ausgezieret sind“ (Salzmann, 1772). Vom Enkel des Gartengestalters Heydert ist überliefert: „Die dortigen Parterre´s legte Heydert […] nach holländischer Art an; indem Buxbaum die Conturen bildete, zwischen welche Corallenschnüre gelegt wurden, was von dem Dache der Bilder-Gallerie aus gesehen, einen guten Eindruck machte.“ Weiterhin bemerkte er, dass die Corallen alle blau waren. Da diese Gartenpartie auch „Korallengarten“ genannt wurde, trugen die Glasornamente sicher entscheidend zur Wirkung bei. Mauer und Parterre bildeten offensichtlich eine künstlerische Einheit.
Da die Grottenmauer an der Bildergalerie die Zustimmung Friedrichs II. fand, beauftragte er Joachim Ludwig Heydert zunächst auch mit der Grottierung der „sala terrena“ im Erdgeschoss des Neuen Palais, dem sogenannten Grottensaal. Sein Kostenanschlag war dem König jedoch zu hoch, so dass wenig später, im Jahre 1767, Johann Melchior Kambly und Matthias Müller den Auftrag erhielten. Sie wollten weniger kostbare Materialien zur Ausgestaltung verwenden und einen großen Teil der Wände in Gips ausführen. Heydert verkaufte ihnen die beim Bau der Terrassenmauer übrig gebliebenen Muscheln, Schnecken, Corallen und anderes Grottierwerk für insgesamt 2856 Taler.
Die grottierte Mauer an der Bildergalerie war Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund von Witterungseinflüssen in einem schlechten Zustand. Durch die Beliebtheit der Muscheln und Glasstücke als Andenken waren die Muster kaum noch zu erkennen. Auch die Glasperlen im Parterre vor der Grottenmauer waren stark dezimiert. Friedrich Wilhelm IV. ließ diese Partie in den Jahren 1847-1850 durch Ludwig Ferdinand Hesse in Stand setzen bzw. erneuern. Die grottierte Mauer erhielt eine neue Feldergestaltung nach dem Entwurf von Hesse, die Glasperlen und Corallen kamen aus der Gräflich Schaffgotsch´sche Josephinenhütte in Schreiberhau bei Warmbrunn in Schlesien. Aber bereits 1896 erfuhr die Gartenpartie abermals eine vollständige Erneuerung, der der „Korallengarten“ zum Opfer fiel.
Bei gartenarchäologischen Suchgrabungen im Jahr 2014 fand man in diesem Bereich neben Keramik-, Eisen-, Ziegel- und anderen Bruchstücken eine große Anzahl Perlen aus farbigem Glas sowie Glasschlacken. Es ist wahrscheinlich, dass einige Grabungsbefunde der frühen Zeit des Holländischen Gartens zuzurechnen sind. Denn die späteren Glasperlen des Parterres wurden durchgehend als blau beschrieben, ergraben wurden aber auch weiße, rote, grüne, braune, bernsteinfarbige sowie dunkel- und helllilafarbene Perlen. Außerdem fand man Glas- und Eisenschlacke, Muschelfragmente, Malachitbruchstücke, Sedimentations-, Lava- und Schieferfragmente – alle diese Materialien scheinen eher von der Grottenmauer als aus dem Parterre zu stammen. Da außerdem eine Münze aus dem Jahre 1779 zu den Fundstücken gehört, könnten auch die reichen Glasfunde teilweise auf die erste Gestaltungsphase der Mauer und des Parterres unter Heydert zurückgehen. Dafür spricht ein Vergleich mit den Glasperlen des Grottensaales, die den 1760er Jahren entstammen. Besonders die weißen und blauen Perlen stimmen in ihrer äußeren Erscheinung und auch in ihrer chemischen Zusammensetzung nahezu überein, so dass sie möglicherweise aus einer Schmelze stammen könnten. Vielleicht handelte es sich dabei um die Restbestände der Grottenmauer-Dekoration, die Heydert 1767 an Kambly und Müller für den Grottensaal verkaufte. In diesem Fall hätte sich Reste der gläsernen Grottiermaterialien von Heydert auch im Grottensaal des Neuen Palais bewahrt.
– Dr. Susanne Evers, Sammlungskustodin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Titelbild: Johann David Schleuen: Prospect der Bilder-Gallerie im Königlichen Garten Sans-Soucy bei Potsdam, 1770 │ Foto: SPSG